Die Wüste in mir

Dieser kurze Text ist weniger ein Kommentar als ein Teilen einer persönlichen Erfahrung mit Euch.

2016: Nach einem halben Jahr Vorbereitung befand ich mich auf dem Weg in die Wüste nach Marokko. Eine Woche Yoga und Meditation in den Sanddünen – und sonst nichts. Kein Handynetz, kein Auto, keine Musik und kein Buch, kein Fleisch und kein Alkohol.

Mein Koffer war groß und schwer, gewissermaßen meine Absicherung für alle Eventualitäten.

Bald wurde mir bewusst: ich reiste nicht nur mit einem schweren „materiellen“ Koffer in die Wüste, sondern ich hatte noch ein weiteres – unsichtbares – Gepäckstück mit mir. Im Nachhinein stellte ich fest, dass der Blick in diesen „Rucksack“ erst durch die Qualität der Wüste möglich wurde.

Auf den Punkt gebracht: Es war ein Full-Stop auf mehreren Ebenen, eine Reduktion auf ein scheinbares Nichts, ein Spiegel ohne Vorhang. Ich konnte mich nicht mehr von mir selbst ablenken, Ablenkungs-Entzugserscheinungen inklusive. Was ich dadurch kennenlernte war die Stille in mir, diese Leere und Fülle zugleich, eine vom Außen völlig unabhängige Erfahrung, die ich seitdem in mir trage.

Wozu aber schreibe ich für Euch jetzt über die Wüste?

Über den Jahresverlauf entdeckte ich für mich, dass es eine Zeit im Jahr gibt, die an diese Wüsten-Qualität ziemlich nah drankommt: Es ist die Zeit um Weihnachten und Neujahr. In diesen Tagen ist für mich diese besondere Stille wieder intensiver spürbar.

In dieser Zeit schaffe ich mir bewusst Räume für den Schritt aus dem Außen zurück in mein Inneres. Erst recht dann, wenn es im Außen stark vibriert.

Damit meine ich nicht eine Abschottung von der Umwelt, sondern, die Aufmerksamkeit auf Fragen, die gestellt werden möchten, auf das Friedvolle und auf meinen Beitrag dazu zu lenken. Gerade in dieser Zeit, in der so viele unterschiedliche Vorstellungen, Wünsche und Erwartungen aufeinandertreffen, kann das Achtsame im Miteinander die fehlende Brücke sein. Im Anerkennen, dass dieser andere Mensch ein Mensch ist, mit Erwartungen, Vorstellungen und Wünschen, die er erfüllt haben möchte, genauso wie ich. Dass dieser Menschen Ängste und Unsicherheiten erlebt, genauso wie ich. Dass dieser Mensch sein Leben und seine Beziehungen erfüllend gestalten möchte, genauso wie ich.

Stille kann dabei wie ein Fingerzeig sein, der auf das hinweist, was ich gerade mit meinen Gedanken, Gefühlen, Worten und Taten bewirke – und was nicht. Vielleicht sehen wir an der Oberfläche viel Trennendes, entdecken dann jedoch in der Tiefenschau so viel Verbindendes.

Wenn wir mit Neujahr in eine neue Jahres-Reise aufbrechen und unbekanntes Land betreten, dann sind für mich besonders zwei Elemente bedeutend, um mit Zuversicht durch die Unsicherheit zu gehen: ein leichter Koffer, der nur das beinhaltet, was mir wirklich nützlich ist und auch zum Wohle anderer ist, sowie meine Weggefährten.

So wünsche ich Euch ein friedvolles Weihnachtsfest, innige Begegnungen sowie ein lichtvolles und gesundes Jahr 2022.